Donnerstag, 23. Juli 2015

Der Scrum Master als Impediment

Bild: Wikimedia Commons/Twice25 - CC BY-SA 2.5

Selbst wenn er vielleicht nicht ausdrücklich so gemeint ist, der Dilbert-Comic von gestern wird von vielen Leuten die ich kenne als Anspielung auf inkompetente Scrum Master verstanden, die ihrem Team mehr schaden als nutzen. In der Theorie mögen die Scrum Master nämlich die Rolle der Change Agents, Team Coaches und agilen Evangelisten einnehmen, in der Realität sind es aber leider zu häufig Fehlbesetzungen. In den letzten Jahren sind mir einige derartig fehlbesetzte Personen begegnet und aufbauend darauf möchte ich eine kleine Typologie erstellen.

  1. Die bockige Zwangsverpflichtung
  2. Der erste und vermutlich der tragischste Fall. Niemand hat ihn gefragt ob er den Job wollte, und wenn doch dann wollte er nicht und musste trotzdem. Er kommt nicht klar mit Verantwortung und/oder Menschen, empfindet seine Arbeit als Zumutung und fährt sie so weit wie möglich herunter. Als Folge dieser Verweigerungshaltung stellt er irgendwann nur noch Termine ein, blockt alles andere ab mit der Begründung, dass das Team schließlich selbstverwaltet ist und macht sonst nichts.

  3. Der Cargo Cult-Scrum Master
  4. Schließt an die Artikel zu vermurkstem Scrum, zu  Shuhari und zum Dunning-Kruger-Effekt an. Ohne zu wissen was er tut fügt dieser Typus dem Team schweren Schaden zu: Retrospektiven fallen aus oder finden nur Alibi-mäßig statt ("Jeder sagt kurz einen Satz zum letzten Sprint"), aus Groomings werden Product Owner oder Entwickler ausgeladen ("Die sollen lieber arbeiten") und in Reviews werden unfertige Stories vorgeführt ("Wir müssen doch zeigen was wir gemacht haben"). Das Verheerende daran ist, dass das alles aus gutem Willen entsteht und aus dem Glauben, eigentlich das Richtige zu tun um das Team "besser" zu machen. Deshalb vielleicht der gefährlichste Typ.

  5. Der Chef/Abteilungsleiter
  6. Bedarf im Grunde keiner Erklärung. Die Teammitglieder sind ihm disziplinarisch untergeordnet, und das bleibt auch so. Scrum steht nur auf dem Papier, in Wirklichkeit gibt er die Befehle.

  7. Der Projektmanager
  8. Ein Grenzfall mit fließendem Übergang zum manchmal notwendigen bestimmenden Schrum Master. Er "zwingt das Team zu seinem Glück" und opfert dabei mitunter bewusst "kleinere" Elemente von Scrum dem Erreichen des Release/Quartalsziel/Projekterfolg. Fängt vielleicht ganz harmlos an, führt das Team aber langfristig in den Wasserfall zurück. Anders als dem Cargo Cult-Scrum Master ist ihm bewusst was er tut.

  9. Die Sekretärin
  10. Vielleicht der skurrilste Fall. Entsteht aufgrund eines völlig falsch verstandenen Stellenprofils. ("Scrum ... was? Was macht der?" ... "Ah, Termine einstellen. Was noch?" ... "Impediments? Was soll das sein?" ... "Ah, wenn zum Beispiel keine Rechner da sind. Ist also demnach eine Projektassistenz, dieser Scrum Master. Das macht am besten die Frau Jäger aus dem Vorzimmer vom Chef.").

Jeden dieser Typen habe ich schon einmal erlebt und so unterschiedlich sie auch sein mögen, eines haben sie alle gemeinsam: Wenn sie einmal da sind wird man sie nur schwer wieder los. Selbst wenn ein ganzes Team gegen einen fehlbesetzten Scrum Master rebelliert führt das nicht notwendigerweise zur Besserung sondern nur zu noch mehr Ärger, da das Aufbegehren gegen einen "Vorgesetzten" in fast keiner Organisation gerne gesehen wird. Der erbauliche Schluß fehlt daher leider, vielleicht trage ich ihn irgendwann mal nach.

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